Reisezeit und Dauer
Am besten an einem Vormittag im Sommer
Am besten an einem Vormittag im Sommer
Radfahren ist nicht mein Lieblingssport, eher meine bevorzugte Fortbewegungsart in der Freizeit – und eine umwelt- und fitnessfreundliche Mobilitätslösung in meiner engmaschingen niederbayerischen Familienaufstellung: Firmensitz und Haus der Schwiegermutter in Plattling, Deggendorf als Stadt meiner Schulzeit und meiner wichtigsten Auftraggeber, Mutter und Schwester samt Familie in March, drumherum verstreut Wirtshäuser bzw. Hotels meiner Cousins und Cousine. Im Sommer, wenn die Natur zum Spektakel wird, schwinge ich mich gerne auf mein Rad, um diese Anlaufpunkte anzusteuern. So wie am Vormittag des 11. Juni 2023. Ich war Strohwitwer in Plattling und dachte mir: Was gibt es Schöneres als eine Radtour nach March, um dort mit meiner Schwester im Wirtshaus meines Cousins einen Zwiebelrostbraten mit zwei Bier zu verdrücken? Als Belohnung für die Ochsentour. Denn eine Radtour im Bayerischen Wald ist kein Sommerspaziergang.
Es ging los in #meiplattling – der Hauptstadt des Gäubodens (gültig für den Landkreis Deggendorf). In diesen Tagen war Plattlinger Volksfest. Es lohnt sich, vor der Ausfahrt vom Garagenvorhof einen Blick auf die Straße zu werfen. Tags zuvor um 9.30 Uhr hatten zwei erheblich angesäuselte Lederhosenträger unser E-Auto überhört – und Gott sei Dank nicht übersehen. Dass zu solcher Stunde der Alkohol im öffentlichen Verkehr eine spürbare Rolle spielen kann, liegt vielleicht am verlockenden Angebot des lokalen Verbrauchermarktes – mit 100% Zuschnitt auf Volksfest-Termin und Besucher.
Abgesehen von Volksfest-Irrläufern sind die 10 km von Plattling nach Deggendorf risikoarm und brettleben – ideal zum Aufwärmen. Ich mag die Landschaft gern: Weite Felder, Blick auf den Bayerischen Wald, und in den Isarauen staksen die Störche nach Frosch-Frühstück. Der Deggendorfer Stadtplatz war der letzte gemütliche Streckenabschnitt und präsentierte sich am Sonntagmorgen noch beschaulicher als sonst. Vor einem Café erspähte ich doch noch ein (Volksfest-) Relikt, dem der Kopf vor seinem Weißbier eingeknickt wer. Der junge Mann döste in den Morgen, während seine Freundin (bzw. Eroberung) auf dem Handy die nächste Instagram- Story verfasste zur Serie „Sommerrausch“.
Lausige 7 km sind es von Deggendorf bis Rohrmünz, aber die kennen halt nur eine Richtung: bergauf. Bei mir ist es so, dass ich genügend Ausdauer habe. Die Steigung darf bloß nicht zu krass werden – besser nicht mehr als 15%. Denn ab da zwingen meine 99,5 kg meine Oberschenkel in die Knie, ich werde immer langsamer, muss absteigen und schieben. Auf den 7 km nach Rohrmünz verließ ich den Sattel nur zum Trinken. Die Fahrt war einfach nur schön anstrengend, nicht zehrend oder gar zermürbend.
Von Rohrmünz folgte ich dem Wegweiser Richtung Oberbreitenau. Ich kreuzte Bäche und Wurzeln. Wanderer kamen mir entgegen und meinten: „Des wird fei no steiler. I woaß ned, ob des mit dem Radl geht.“ Unter anderem DAS liebe ich an den Waidlern: Sie grüßen nicht nur, sondern geben unaufgefordert gute Hinweise. Andernorts wandelt man meist aneinander vorbei. Und wenn man ein paar hundert Meter später im Schlamassel landet, denkt man zurück: „Das hätt er mir auch sagen können, der Depp.“ Im Bayerischen Wald darf man ziemlich sicher sein, dass die anderen auf einen schauen.
Mir gefällt am meisten, dass die Landschaft so unspektakulär natürlich ist – ohne Protzerei oder Tuning, in einer perfekten Art von Understatement. Früher, in den hedonistischen 90er und 2000er Jahren, wurde dem Bayerischen Wald das als Biederkeit oder Rückständigkeit angekreidet. Heute, in der Renaissance von „Zurück zur Natur“, trifft der Bayerische Wald in seiner souveränen, lässigen Natürlichkeit den Nerv der Zeit. Wenn man sich früh auf den Weg macht, kann es sein, dass man die ganze Tour ohne Publikum bestreiten darf. Es ist manchmal so ruhig, dass die jüngsten Bären-Meldungen im Kopf spuken. Doch die Wildtier-Phantasie wird durch den realen Pragmatismus der Waidler weggewischt: Statt eines Bären tauchte ein Plakat mit einer Stellenanzeige auf. Der Woid verzeichnet Vollbeschäftigung und die Firmen suchen Mitarbeiter – auch mitten im Woid!
Gegen 12 Uhr komme ich in Hermannsried (bei Bischofsmais) an und mache einen Zwischenstopp an der Wallfahrtskapelle für ein paar Fotos. Ein alter Mann schiebt mit seinem Rolator ran und meint: „Du host a koa E-Bike. So wia i. I han so a scheens Rall, ob i kanns nimma fohn. I hans schaa einegstait auf ebay, oba koana hod se gmaidt.“ Ich empfahl ihm, das auf ebay unter München zu veröffentlichen, weil man dort genau solche Räder brauche für die Stadt: gut, unauffällig und nicht teuer. Und dass er bei Abholung einen Schweinsbraten mit Bier als Zusatzleistung ausloben solle. „Des is a guade Idee“, meinte er.
Ein kräftiger Schluck Wasser aus der frischen Quelle des Heiligen Hermann sollte Proviant genug sein für die letzten 12 km. Beim Verlassen der Kapelle treffe ich auf ein Ehepaar. Der Mann griff seine Frau am Arm und rief: „Siegst, des gfoid ma: koa E!“ Ich lächle ihm zu und erinnere mich an die steilen Passagen, wo vor meinen verschwitzten Augen ein rotes „E“ blinkt mit der wenig feinfühligen Aufforderung: „Kauf dir doch ein E-Bike, du alter Seckel!“ Ja, wenn es mir pressieren würde, dann vielleicht. Aber ich hab ja alle Zeit der Welt…
Kurz vor 13 Uhr komme ich am Haus meiner Mutter an, dusche kurz und radle die letzten 500 m zum Wirtshaus meines Cousins „Oberer Wirt“ in March. March ist ein ziemlich durchschnittliches Dorf im Bayerischen Wald. Ein letzter Kramerladen hält die Stellung, es gibt eine Sparkassen-Filiale, natürlich eine Freiwillige Feuerwehr, sogar einen Kindergarten und eine Grundschule – und vor allem ein tipptopp Wirtshaus. Nein, ich mache keine Werbung dafür und erwähne das nur, weil es gar nicht so leicht ist, dieser Tage im Bayerischen Wald ein gut geführtes Wirtshaus zu finden. Probiert es einfach selber aus. Mit zwei, drei Bier kann man hier nach einer Ochsentour gesegnet in den Nachmittag gleiten.
Ein paar Stunden später zuckele ich mit der Waldbahn zurück nach Plattling. So oder so ähnlich sieht für mich eine Welt aus, die sehr in Ordnung ist. Und schon allein deswegen freue ich mich auf die nächste Ochsentour durch den Bayerischen Wald.
Die 10 km von Plattling nach Deggendorf kann man zum Einfahren nutzen und um warm zu werden. Danach geht es eigentlich nur noch bergauf. Manchmal musste ich mein Radl schieben, teilweise auf relat-iv steilen Wanderwegen. Also sollte man schon ein bisschen fit sein. Andererseits ist das kein Marathon, sondern einfach eine schöne, anstrengende Art, den Vormittag zu verradeln.
Bis auf ein paar Hundert Meter Geröll-lastige Wege war der Rest meiner Strecke mit meinem „normalen“ Tourenrad gut zu befahren. Die Routen sind gut ausgeschildert und man kann im Grunde immer wieder noch einen Schlenker einbauen, ohne sich zu verlieren. Außerdem sind die nächste Ortschaft oder das nächste Wirtshaus nie weiter weg als eine Stunde.
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