Reisezeit und Dauer
6. bis 14. August 2023
6. bis 14. August 2023
Es ist unser erster Roadtrip nach Corona: Diesmal geht es mit dem Fahrrad von Hinnerks Wahlheimat Budapest über Szekesfehervar und Veszprem rund um den Balaton. Ein paar Klamotten in die Fahrradtasche (eine muss reichen!), Geräte aufladen und Oberschenkelumfang vor der Abfahrt messen (65 cm:). Kann losgehen. Schwerster Teil der Vorbereitung war, einen Zug zu finden mit freiem Fahrradstellplatz. Glück gehabt! Am Sonntagmorgen sitze ich im IC von Plattling nach Wien. Mein Fahrrad ruht ein paar Reihen weiter am reservierten Platz.
Eine Stunde Aufenthalt wird oft zu einem zähen Ringen mit der Zeit. Dank Fahrrad konnte ich das Warten in Wien verkürzen mit einer kleinen Stadtrundfahrt zum Karlsplatz und in die Kärntner Straße. Der Zug nach Budapest stand kurz vor Mittag am Bahnsteig bereit und es war absehbar: Ohne Reservierung gäbe es keine Chance auf einen Sitzplatz – weder für mich noch für mein Fahrrad. Ich quetschte uns auf unsere reservierten Plätze und überbrückte mit Podcasts die 2 Stunden bis Budapest und vermied so das Traveller-Gesabbel um mich herum.
Pünktlich um 14 Uhr erwartete mich Hinnerk in Budapest-Kelenföld. Wir läuteten unsere Tour d´Hongarie mit einem Ruhetag ein – erst bei Bier, Würstl und Leczso und später bei Miso, Sushi und Rosé. Danach herrschte im Fahrerlager leicht angesäuselte Stimmung vor der morgigen Bergetappe.
Von Budapest zum Velencer See
Wer hat eigentlich gesagt, dass Ungarn flach ist? Vielleicht der Plattensee, aber nicht der Weg dorthin. Regelmäßige Steigungen und dazu harter Gegenwind machten die erste Etappe über 75 km zu einer Herausforderung. Immerhin ist der Radweg in sehr gutem Zustand und tipptopp markiert. Wir waren dankbar für unsere Mittagspause in Etyek im schönen Wirtshaus Rokusfalvy Fogado mit ungarischen Spezialitäten wie Wels-Gulasch oder Erbsensuppe mit Debreziner und ausgezeichnetem Bier aus der Region.
Gegen 17.00 Uhr erreichten wir unser Hotel Medora in Gardony am Velencer See mit angeschlossenem Csarda, also Wirtshaus. Eine gute Wahl für unsere erste Nacht auf der Strecke. Abgesehen davon würde ich den Velencer See überspringen beim nächsten Mal. Für mich wirkte das wie die 1b Variante zum Balaton.
Die Bergwertung des Tages ging an Bily, den niederbayerischen Bergochsen. Die Sprintwertung zum Hotel des Tages gewann Hinnerk, der friesische Blitz.
Kulturetappe über Szekesfehervar nach Veszprem
Der Wind war sanfter am zweiten Tag und begleitete uns bis zur Kaffeepause nach Szekesfehervar. Das Städtchen ist im Zentrum schön rausgeputzt und repräsentiert ein Stück ungarischer Geschichte als Krönungsort vieler Könige. Das lohnt sich für einen kurzen Stopp und ein leckeres Eis bei Damniczki.
Mittagspause machten wir in Ösi in einem kleinen Buffet, das uns in jeder Hinsicht positiv überraschte. Von da an ging es fast nur noch bergauf nach Veszprem, in die europäische Kulturhauptstadt 2023. Wir trafen unsere Freundin Barbara samt Familie. Sie führte uns durch die nette kleine Stadt. Sehenswert sind vor allem die Burg und die umliegenden Anlagen. Danach bietet sich ein Abstecher in den Biergarten am Fuße des Schlossbergs an.
Buffets sind ungarische Straßenrestaurants, wo man auf einfache Art gut und günstig essen und trinken kann – am liebsten ungarische Spezialitäten mit Bier oder Fröccs Rosé = Schorle.
Von Veszprem zum Balaton ging es die meiste Zeit bergab. Am See war erwartungsgemäß deutlich mehr Betrieb. Die Fahrradweg sind schmäler und kurviger. Balatonfüred ist einer der Hauptorte am See und bietet alles von mondänen Villen bis zu abgewrackten Campingplätzen. Dazwischen gibt es reichlich Imbiss- und Weinbuden und das übliche touristische Entertainment-Angebot. Schöner fanden wir das alte Viertel von Balatonfüred, wo man gediegen und in Ruhe speisen kann, etwa im Kdeves Cukraska.
Wir steuerten die Halbinsel Tihany an, wo der See seine schmalste Stelle aufweist. Darüber thront ein Aussichtsfelsen mit einer Kirche. Wir strampelten hoch und trafen auf Menschenmengen, die sich vom Parkplatz zur Kirche wälzten und dazwischen eine Cola oder eine Lavendelseife einkauften. Wie sich später herausstellen sollte, ist der Blick vom Südufer auf die Kirche eh viel besser.
Also nichts wie runter und weiter Richtung Westen am See entlang. Dort wurde es nun postsozialistisch idyllisch = ländlich + kaum Geschäfte oder Lokale. Am Ende des Tages landeten wir im Panorama Apartmant in Tagyon, etwas zurückgesetzt mitten im Weinberg mit wunderschönem Blick auf den See. Angeschlossen ist ein rustikal-ländliches Restaurant, das günstiger ausschaut, als die Rechnung am Ende abverlangt.
Von Tagyon nach Szigliget durchquerten wir die Toskana Ungarns – so nennt man das Kali-Becken im Balaton Oberland. Tatsächlich gab es ein paar geschwungene Hügel und die Zahl der Weinschänken nahm jeden Kilometer zu. Im Hinterland sind sie noch eher klein und authentisch. Näher am Balaton nennt man sich dann schon gerne mal Domaine. Besonders gut hat uns die Gegend um Mindszentkalla gefallen mit kleinen Restaurants am Straßenrand und Weinbauernhäusern, die oft auch Zimmer anbieten. Das Kali-Becken kann man von Szigliget aus als Tagestour durchradeln.
Szigliget selbst ist ein beschaulicher kleiner Ort am Balaton, direkt am Tafelberg, der Kapstadt-like über dem See thront. Die Gegend hier ist deutlich entspannter als das laute Balatonfüred. Zudem ist es gut von Wien aus erreichbar, ohne Umweg über Budapest. Gleich ums Eck liegt die Szigligeter Burg. Die 10 Minuten Fußmarsch hinauf lohnen sich. Die Burg ist schön renoviert und bietet einen grandiosen 360° Ausblick.
Der für mich landschaftlich schönste Abschnitt unserer Tour war die Strecke von Szigliget rund ums Westufer. Wir fuhren auf guten Radwegen mit wenig Verkehr durch Schilflandschaften und malerische kleine Orte.
Je weiter man ins Südufer einbiegt, desto touristischer wird es. Die Radwege verlaufen nun meist auf ruhigen Nebenstraßen durch Wohngegenden oder – zwischen den Ortschaften – entlang von See, Bahn und Straße.
Wir machten kleine Badepausen an freien Zugangsstellen (schaut nach dem Schild „Szabad Strand“), wie in Balatonmariafürdö. Der See ist für mich als Faul-Schwimmer ideal, weil man Kilometer weit im Wasser gehen kann, ohne schwimmen zu müssen.
Danach gönnten wir uns einen gebackenen Hekk – eine Hechtart aus dem Südatlantik, die sich zur ungarischen Spezialität hoch geschwommen hat. Die letzte Nacht am See verbrachten wir in Balatonlelle, in der City Panzion mitten im Vergügungsviertel mit. Buden, Bars und Konzertbühnen. Wie in Bibione, nur ohne Salzwasser.
Nach einem letzten Balaton-Bad nahmen wir den IC von Zamardi nach Budapest. Der Zug bot einen extra Wagon für Fahrräder und brachte uns in 1 1/2 Stunden entspannt nach Budapest-Deli. Die letzten 30 km unserer Ungarn Tour tingelten wir entlang der Donau bis zum Wochenendhaus in Szentendre. Mit BBQ und Fischsuppe – unbedingt in der Hatarcsarda probieren – feierten wir den Abschluss unserer grandiosen Ungarn-Tour. Was für ein schönes Erlebnis!
Auch die technischen Daten unserer Tour waren einwandfrei. Am Ende hatten wir knapp 400 km auf dem Tacho gesammelt. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit lag, je nach Etappenprofil, zwischen 15 und 20 km/h. Wir erlitten keinerlei Pannen oder Stürze und blieben verschont von Muskel- oder sonstigen Katern.
Hinnerk spricht perfekt Ungarisch und war der perfekte Pilot auf unserer Rundfahrt: er führte das Kursbuch, suchte die Routen aus, kümmerte sich um die Verpflegung und fragte um Landeerlaubnis in den Unterkünften. Ich musste eigentlich nur strampeln. Man kommt auch ohne Hinnerk aus, aber viel besser ist es mit:)
Der Großteil der Strecke bot gut ausgebaute und ausgeschilderte Radwege. Nur wenige Passagen waren nicht geteert. Selten mussten wir auf Landstraßen ausweichen, die dann erfreulicher Weise nicht dicht befahren waren. Ab und an gibt es Servicestation mit Luftpumpe und Werkzeugen am Wegesrand. In den Städten sahen wir E-Bike Ladestationen.
Insgesamt kann ich die Gegend um Budapest und den Balaton sehr empfehlen für Fahrradtouren. Die Etappen kann man sich je nach Fitness gut aufteilen.
Außerhalb von Budapest, finde ich, ist Ungarn ein günstiges Land für Deutsche. Je ländlicher man unterwegs ist, desto erfreulicher wird das Preisniveau. Wir haben nur gutes Essen erlebt, meist lokaler Herkunft. Die Biere und Weine waren süffig und bekömmlich.
Wir erfuhren fast durchgehend eine Servicementalität irgendwo zwischen schläfrig und demotiviert. Lächeln oder gar proaktive Kommunikation mit Kunden scheinen noch nicht entdeckt. Das wäre ein guter Hebel für bessere Geschäfte.
Thomas Bily, Welfenstrasse 68, 81541 München
Telefon +49 151 580 550 91, E-Mail info@rockingtravel.com
Also toll und gut beschreiben so wie immer . Details uns Erzählungen gut zu verstehen und gut geschrieben. Ich lese immer gerne dieses posten von dir Thomas 👍👍👏👏👏