Ort und Zeit
21. bis 28. Juni 2020
21. bis 28. Juni 2020
Italien ist das Lieblingsreiseland der Bayern und erst recht meiner Generation. Wir haben das italienische Lebensgefühl lieben gelernt und überschwemmten Italien jedes Jahr in Massen – zumindest vom Gardasee bis in die Toskana. Danach kam Corona und setzte Italien schachmatt und schob unseren Reiseplänen einen Riegel vor. Der beginnt sich gerade etwas zu lockern und die ersten Urlauber spechten über den Brenner. Was geht? Wie schaut´s aus an den Stränden, auf den Märkten, in den Restaurants? Wir packten unsere Koffer. Mal sehen, wie es sich reist in dieser neuen Normalität.
Wir starteten an einem Sonntag, um LKWs zu vermeiden. Der restliche Verkehr hielt sich in Grenzen. Ohne Stau oder sonstige Wartezeiten erreichten wir Garda in weniger als 4 Stunden. Dabei sind wir weitestgehend vorschriftsmäßig gefahren. Wird das auch eine neue Normalität?
Beim Mittagessen im Restaurant Miralago über Garda stellten wir fest, dass Masken- und Hygiene- Vorschriften wie in Bayern gehandhabt werden: Auf dem Weg zum Tisch oder WC mit Maske, am Tisch maskenlos. Der Service klappte einwandfrei und genauso schnell wie „früher“. Das Essen und der Wein? Eh ausgezeichnet.
Mit der Fähre gondelten wir von Torri del Benaco nach Maderno auf die Westseite – nicht ohne vorher eine Fiebermess-Pistole an die Schläfe gedrückt zu bekommen. Nach einer maskenlosen Überfahrt erreichten wir die lombardische Westseite. Die Lombardei war Hochrisikogebiet. Hier muss auch im Juni 2020 jeder Maske tragen, wenn er sich im öffentlichen Leben bewegt. An Tischen oder auf Bänken sitzend etc. kann man die Masken ablegen. In Salò erlebten wir, dass am Wochenende der Fußgängerverkehr in Einbahnstraßen geregelt ist, also alle in eine Richtung im Kreis durch die Altstadt.
Unser Hotel La Vigna liegt direkt am See und damit im Zentrum des Geschehens. Im Vergleich zu „früher“ ist deutlich weniger Betrieb. An Wochentagen ist es so leer wie sonst im Winter. Das macht es für uns eher angenehm: Keine Staus, keine Hektik, immer freie Plätze… Die Hygienebestimmungen hat man schnell adaptiert: beim Baden, im Restaurant und im Hotel ist man ohnehin weitestgehend frei wie „früher“. Beim Frühstück im Hotel darf man das Buffet begutachten, selber nichts anfassen – und sich vom Service bedienen lassen.
Was uns auffiel: Alle, wirklich jeder, waren sehr freundlich und hilfsbereit. Die Menschen versuchen, den Besuchern Ängste zu nehmen. Laut Rezeptionsdame starben 2020 in Salò 10 Leute im Corona Halbjahr 2020. In 2019 starben ohne Corona 11 Leute. Dabei zwinkert sie einem zu, als wollte sie fragen: „Merkst was?“ Momentan bleibt ein Riesenschaden für die einheimische Wirtschaft und Gastronomie. Immerhin spürt man, dass Leben und Tourismus in kleinen Schritten wieder in Schwung kommen.
Fazit zum Gardasee: Wir sehen keinen Grund, in diesen Tagen nicht an den Gardasee zu fahren und dort ein paar schöne Tage zu erleben. Die neue Normalität wirkt an der einen oder anderen Stelle etwas bizarr, aber sie stellt keine Hürde oder Beschwernis, die einen zu Hause bleiben ließe. Im Gegenteil: Wir empfanden die Ruhe und Entspannung als riesigen Pluspunkt in dieser Zeit. Wir konnten problemlos im See baden, Tennis spielen, Bars und Restaurants besuchen oder einfach nur Spaziergänge machen.
Nächste Station: Unbedingt ans Meer. Wir entschieden uns für Sestri Levante zwischen Genua und La Spezia und vor allem: direkt südlich der Lombardei. Was die Münchner fürs Voralpenland sind, sind die Mailänder für die ligurische Küste: Großstädter, die nerven, wenn sie da sind. Aber wenn sie nicht kommen, ist es auch blöd. Dann ist viel weniger los und es fehlt Geld in der Kasse. Wie wir hören, herrschen in Ligurien vor allem deswegen strengere Regeln, weil viele Menschen aus der Lombardei zum Wochenende und in den Urlaub kommen. Wenn man einem Polizisten über den Weg läuft und die Maske nicht richtig trägt, wird man angehalten dies zu tun – ohne Strafe.
Am freien Strand liegen Säcke, um den Abstand zu markieren. In den Bagni sind die Liegen weit genug auseinander und die Zuteilung erfolgt wie bei Tischen im Restaurant: Man meldet sich an und wird an seinen Platz geleitet. Von da an ist man befreit von der Maske. Am Wasser tummeln sich die Menschen wie früher. Bloß sind es nicht so viele wie früher. Auch hier sieht man den Rückgang der Touristenzahlen deutlich.
In Sestri Levante übernachteten wir in einem B&B Calma di Vento, erst ein Jahr alt, top renoviert und nur ein paar Minuten von Altstadt und Stränden entfernt. Die Gemeinschaftsräume im B&B können nicht benutzt werden. Das Frühstück darf nicht serviert werden. Diese familienfreundlichen Vorzüge eines B&B liegen in dieser Zeit brach. Entsprechend verzweifelt ist die Besitzerin. Wir waren die ersten Deutschen, die gebucht haben dieses Jahr.
Fazit zum Strandleben: Masken wirken in Badeorten besonders fremdartig – weil sonst eher alles luftig ausgelegt ist. Am Strand selber bleibt die Maske in der Badetasche.
Mit dem Zug machten wir einen Tagesausflug nach Genua. Am Bahnhof und in den Zügen war alles gut organisiert und ausgeschildert: wie die Laufwege sind, welche Plätze frei zu halten sind. Die Fahrpläne laufen auf Normalbetrieb und die Züge sind gut besetzt – wenn sie auch nicht so voll sein dürfen wie früher.
In Genua mit seinen knapp 600.000 Einwohnern herrschte ordentlicher Betrieb. Viele Menschen sind in den Straßen unterwegs. Fast alle halten sich an die Hygiene-Vorschriften. Die Italiener haben harte Monate hinter sich und wollen, das hört man deutlich aus ihren Worten, auf keinen Fall in diese Ausnahmesituation zurückfallen. So behält selbst in der Hitze der Stadt die Disziplin die Oberhand. Corona hin oder her: Der Tag in Genua war für uns ein schönes Erlebnis mit langen Spaziergängen im UNESCO Weltkulturerbe und grandiosem Essen in der Trattoria Le Maschere – natürlich mit Pesto und Fritto Misto (und Wein…).
Fazit zur Großstadt: Genua kann man problemlos ansteuern und erkunden. In der Hitze mit Maske durch die Stadt zu laufen, könnte für manche beschwerlich sein.
Nach den paar Tagen am Meer zogen wir weiter in die Toskana und zwar in den Nationalpark Tosco-Emliano rund 60 km nördlich von Lucca. Wir querten von Massa 2 Stunden ins Landesinnere und fanden Quartier im Hotel Panoramico in Corfino. Auf rund 1.000 Meter waren wir neben zwei Kurzurlaubern aus Livorno die einzigen Gäste. Vorteil auf dem Land ist, dass es insgesamt ruhiger und entspannter zugeht. Italiener drängen eher ans Meer nach dem Lockdown.
Uns sollte das recht sein. Die Vorzüge des Nationalparks – Ruhe, Natur, Aussicht, einfaches Landleben – kamen so noch besser zur Geltung. Die Anbieter vor Ort spüren allerdings die geringen Zahlen deutlich in der Kasse. Unser Wirt Simone setzt auf Eigenanbau und einfachen toskanischen Menüs. Nach unserer mehrstündigen Wanderung durch den Park war die Hausmannskost seiner Mama genau das richtige.
Zum Abschluss unserer Rundreise trafen wir ein paar Freunde aus der Nähe von Bologna zum Abendessen im Agriturismo Cavaliera in Castelvetro. Südlich der Autobahn Mailand-Bologna wird das Land fast toskanisch hügelig und unsere Bleibe befindet sich auf einem der Hügel. Das ganze Anwesen ist sehr gepflegt und wirkt wie ein italienischer Märchen-Bauernhof. Die Mama kocht grandios auf und die Familie kümmert sich liebevoll um die Gäste. Unser Abendessen ging bis spät in die Nacht und wie so oft, wenn es ums Essen und Trinken in der Emilia Romagna geht, durften wir die Bestnote 10,0 vergeben.
Castelvetro ist ein bezaubernder Ort, wo man an der Kirche einen schönen Aperitif genießen kann. In der Gegend lässt sich bestens einkaufen: das ist die Lambrusco Gegend, Heimat des Parmesans und des Aceito Balsamico – mit einigen Kellereien wie der Aceteia Caselli und sowieso das kulinarische Zentrum Italiens. Für ein verlängertes Wochenende oder ein Fest mit Freunden auf der großen Terrasse ist das eine sehr schöne Option. Zumal die Rückfahrt nach München nur 5 Stunden dauert.
Fazit zum Landleben in den Bergen und auf dem Agriturismo: Wenn nicht ab und an Menschen mit Masken auftauchten, wäre es so wie vor 25 Jahren.
Nutzt diese Zeit mit weniger Touristen und macht Urlaub in Italien! Es ist lange her, dass wir so ein schönes Italien entdeckten wie in dieser Woche im Juni 2020.
Wir hatten erst auf dem Zettel, zu fliegen und dann ein Mietauto zu nehmen. Aber das eigene Auto schien uns in Juni 2020 doch etwas praktischer. Bewegungen im öffentlichen Raum kosten mehr Zeit und Mühe als sonst. Wir merkten das allein bei der Abfertigung zur Fähre auf dem Gardasee. Die Autobahnen sind gut befahren, aber selbst bei den vielen Baustellen erlebten wir keinen Stau. Die Bahn haben wir auch genutzt. Das klappte einwandfrei und ist in Italien sehr günstig.
Die Preise sind zwar nicht unbedingt niedriger als „früher“, aber der Spielraum für Zusatzleistungen scheint größer. Service und Portionen erlebten wir in Topform. Bei Buchungen empfehlen wir, die niedrigere Kategorie zu nehmen. Ein kostenloses Upgrade (beispielsweise auf Zimmer mit See/Meerblick) ist wahrscheinlich.
Die meisten Restaurant sind geöffnet und gut eingestellt auf die Hygieneanforderungen. Der Ablauf ist wie in Deutschland: Mit Maske warten, bis man an den Tisch geführt wird. Dort ist dann alles wie früher. Wir haben einfache und gute Küche bevorzugt und wurden sehr positiv überrascht. Ein leckeres Menü für 2 Personen inklusive Wein und Wasser und Kaffee für 30 € genossen wir nicht nur einmal.
Wir haben alles getestet: Hotel, B&B, Albergo und Agriturismo. Alle waren gut eingestellt auf die Hygieneanforderungen: vom Empfang über den Service bis zum Bezahlen. B&B müssen von ihren Gästen verlangen, Gemeinschaftsräume wie Küchen oder Wohnzimmer quasi unberührt zu lassen. Im eigenen Zimmer und auf dem Balkon ist man aber frei und unbeschränkt. Noch müssen Klimaanlagen ausgeschaltet bleiben. Das sollten die auf dem Zettel haben, die sich mit warmen Nächten schwer tun.
Thomas Bily, Welfenstrasse 68, 81541 München
Telefon +49 151 580 550 91, E-Mail info@rockingtravel.com
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