Reisezeit und Dauer
Ende April 2016
Ende April 2016
Dass Leipzig eine schöne Stadt ist, hat sich mittlerweile sogar bis Oberbayern rumgesprochen. Trotzdem ist mein Eindruck, dass die Stadt etwas im Schatten der Hauptstadt Berlin sowieso, aber auch von Dresden steht. Das Touristen-Städtereisen-Ranking für Deutschland lautet gefühlt: Berlin, München, Hamburg, vielleicht etwas Dresden oder Köln und dann kommen schon Heidelberg oder Dinkelsbühl. Über Leipzig wissen viele ein bißchen, aber das große Gesamtbild einer schönen Stadt bleibt bis dato unterbelichtet. Das wird sich ändern.
Leipzig liegt in der Mitte Deutschlands. Aus Hamburg oder München ist man in rund 3 1/2 Stunden angereist mit der Bahn oder mit dem Auto. Die Stadt hat kein weltweites Wahrzeichen wie München das Oktoberfest oder Hamburg die Elbphilharmonie, sondern ist für viele Dinge ein bißchen bekannt: Für Musik, für Auerbachs Keller, für Montagsdemonstrationen, für Völkerschlachten, für Universitäten oder Kunst. Wie beim Leipziger Allerlei scheint die Rezeptur der Stadt darauf ausgelegt, den Speck – das Beste und Schönste – verborgen zu halten. Habt ihr schon mal Leipziger schwärmen hören, dass ihre Stadt die schönste in Deutschland sei? Wohl nicht. Aber sie hätten mindestens so viel Grund dafür wie die Hamburger oder Münchner. Berliner gibt es eh nicht, die so etwas sagen. Das wäre viel zu uncool.
Jetzt, da wir unsere neue, coole Hauptstadt Berlin haben, vergisst man schnell, wo eigentlich der Antrieb herkam für die Wende. Schon 1982 fanden Friedensgebete in Leipzig statt, später gab es Montagsdemonstrationen, die das ganze Land erfassten und letztendlich mündeten in die deutsche Wiedervereinigung. Man kann sich das alles haarklein in der Nikolai-Kirche erklären lassen von sächselnden Stadtführern.
30 Jahre später klingt die damalige Geschichte nicht mehr sächsisch sondern selbstverständlich. Erinnerungen an Aufruhr und Demos findet man noch als Graffiti an Häusern oder als Fotos in Hotel-Lounges. Die Stadt selbst geht im Alltag wesentlich leichter um mit ihrer Rolle als Epizentrum der Revolution – nicht so schicksalsschwanger und politisch überinterpretiert wie Berlin mit seiner Mauer oder sonstigen Wahrzeichen der Wende.
Leipzig lebt einfach neu, blüht schön renoviert, präsentiert sich gut in Schuss und bei bester Laune. Leipzig wirkt nicht wie eine ehemalige Ost-Stadt. Das ist eine sehr lebensfreudige Großstadt mitten in Europa.
Wir waren auf dem Rückweg von Norddeutschland nach München und suchten nach einer schönen Zwischenstation. Leipzig stand schon lang auf unserer Liste und diesmal wollten wir es wissen. Wir reisten Freitagabend an und blieben in einem der Hotels mitten im Zentrum. Zum Abendessen am Freitag probierten wir ein italienisches Restaurant bei der Nikolai-Kirche. Das sardische Restaurant liegt 1A, aber kocht 2B. Egal. Der Frascati (Hauswein in einem sardischen Restaurant?!) schwemmte die verkochte Pasta weg. Wenn Leipzig überhaupt Risiko-Faktoren birgt, dann die kulinarischer Art. Das gilt meiner Erfahrung nach für Ostdeutschland im Allgemeinen.
Am Samstag herrschte Bilderbuchwetter und das machte es der Stadt natürlich leichter, uns zu gefallen. Wir kamen durch Passagen mit kleinen Cafés und Bistros und wähnten uns kurzzeitig in Mailand. Die 10 Meter weiter brutzelnde Rauchwurst erdete uns schnell wieder nach Sachsen.
Leipzig hängt sympathisch zwischen Luxus und Bodenständigkeit, zwischen teuer und preiswert, zwischen kosmopolitisch und ländlich. Stadt und ihre Leute haben kein Problem damit. Sie leben einfach so, wie Leipzig ist. Nicht verirrt oder verwirrt durch ein vermeintliches Image. Denn wer wüsste schon, ein Image von Leipzig zu zeichnen?
Wir wohnten mitten in der Stadt im Motel One (in der Nikolaistrasse). Für höhere Ansprüche kämen der Fürstenhof oder das Steigenberger gelegen, die man bei früher Buchung auch zu fairen Preisen ergattern kann. Wir sind keine Reisenden, die Führer auswendig lernen oder gar in Museen oder Ausstellungen so lange festkleben, bis der Text von der Tafel sitzt. Learning by Living lautet unser Motto und Leipzig ist uns sehr gewogen mit dieser Auffassung.Wir starteten einfach drauf los nach dem Frühstück und stolperten von einem Highlight zum nächsten: Auerbachs Keller, Altes Rathaus, Neues Rathaus, Thomas Kirche, Nikolai Kirche…. Egal: In zwei Wochen haben wir die Details eh vergessen.
Was wir aber nicht vergessen werden, ist das Flair der Stadt. Alle Gebäude, Straßen und Anlagen sind 1A in Schuss und als 52-jähriger weiß ich, dass das auch gut 25 Jahre nach der Wiedervereinigung wie ein Wunder ist. Geschäfte jeder Art und jeder Markte überziehen die Stadt. Es herrscht eine unaufgeregte Betriebsamkeit. Jeder scheint hier er selbst zu sein. Kein Posen, kein Ducken, kein Faken. Das würde selbst Johann Sebastian Bach gut gefallen.
Am Ende hätten wir fast das Völkerschlacht-Denkmal vergessen, das berühmteste Wahrzeichen Leipzigs. Dabei denkt man doch erst an das Denkmal für die Völkerschlacht und dann an die benachbarte Stadt Leipzig. Das passiert denen, die die Stadt besuchen, nie mehr wieder. Die fahren vielleicht, wenn´s der Tag noch zulässt, raus zum Denkmal. Aber lieber bleiben sie in der wunderbaren Stadt. Und wer Pause braucht von der Stadt, ist schnell im Harz, im Sommer zum Baden an den vielen Seen in der Umgebung.
Leipzig ist ein Muss, nicht nur für Städtereisende. Die Stadt ist der lebende Beweis dafür, wie viel Gutes Deutschland aus Wiedervereinigung hervorgebracht hat. Man fühlt sich nie wie im Osten, aber auch nicht wie im Westen. Vielleicht ist Leipzig das Symbol des neuen Deutschlands? Schön wär´s!
In maximal 5 Stunden mit der Bahn oder mit dem Auto. Der Hauptbahnhof ist mitten in der Stadt. V0n dort kann man die meisten Hotels zu Fuß erreichen. Der Flughafen Halle-Leipzig ist keine 30 Minuten zum Stadtzentrum. Die öffentlichen Verkehrsmittel erschließen die Stadt sehr gut, wobei man die Altstadt sehr gut und bequem zu Fuß erschließen kann. Zum Völkerschlacht-Denkmal fährt die Tram 15 (Richtung Meusdorf) in 15 Minuten.
In Leipzig kann man shoppen, bummeln, schwofen, chillen, spazieren, eintauchen, versumpfen, vergeistigen, erinnern…. Geschichte, Kultur, Musik, Kneipen liegen in dieser Stadt Seite an Seite. Einfach losgehen. Ohne Stadtplan. Es findet sich in Leipzig. Die Stadt ist der hidden champion.
Leipzig ist eine deutsche Großstadt mit (immer noch) fairen Preisen. Am Völkerschlacht-Denkmal waren wir in einem Biergarten, wo die Bratwurst in der Semmel 1.50 kostete. In der Stadt gibt es von Italiener bis Inder jede Küche. Selbst Top-Hotels bleiben in erreichbarem Rahmen. Der gute Deal ist in Leipzig die Regel. In München beispielsweise ist es umgekehrt.
Thomas Bily, Welfenstrasse 68, 81541 München
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