Ort und Zeit
November 2019
November 2019
Als wir letztens in Köln für teures Geld bei einem mittelmäßigen Franzosen saßen, da kam uns der Gedanke, dass man doch einfach auch mal wieder nach Frankreich fahren könnte. Da kann man mit den Restaurants ja bekanntermaßen wenig falsch machen, zumindest mit den französischen.
Von Köln aus ist Lille die am nächsten gelegene Großstadt Frankreichs. Die 320 KM lassen sich mit dem Auto in unter 3 Stunden schaffen. Wenn man zu zweit ist, ist das nicht nur schneller, sondern (leider) immer noch wesentlich günstiger als eine Reise mit der Bahn (ca. 100 € pp).
Im Zentrum von Lille am Freitagabend einen Parkplatz zu finden, war eine mittelschwere Katastrophe. Wir empfehlen dringend, außerhalb zu parken, z.B. an der U-Bahn-Station St.Maurice – Pellevoisin und von dort aus ein Taxi bzw. die U-Bahn in die Stadt zu nehmen.
Schnell wurde uns klar, dass Lille wahrlich nicht alle französischen Klischees bedient. Schon im Taxi auf dem Weg in die Stadt erzählte uns der Fahrer, dass die „Lillois“ viel lieber Bier als Wein trinken und empfahl uns einige urige Kneipen in der Innenstadt („Vieux-Lille“). Die unmittelbare Nähe sowie die jahrhundertelange Zugehörigkeit zu Belgien bzw. den Niederlanden machen sich in Lille in vielerlei Hinsicht stark bemerkbar.
Wir kamen erst gegen 21:30 h in unserem AirBnB-Apartment an und mussten dann zügig los, um noch etwas Ordentliches zum Abendessen zu ergattern. Denn dafür waren wir ja schließlich in erster Linie gekommen:) Fündig wurden wir in der Rue du Gand, einer malerischen Pflasterstein-Straße mitten in der Altstadt. Hier reiht sich Gaststätte an Gaststätte und wir waren keinesfalls die einzigen Touristen, die hier auf der Suche nach etwas Essbaren waren.
Lille ist bekannt für seine „Estaminets“, einer Mischung aus Kneipe und Restaurant, in der regionale Gerichte angeboten werden. Waren sie früher primär ein Treffpunkt für die einheimische Bevölkerung, sind diese Gasstuben inzwischen zu einer wichtigen touristischen Attraktion der Stadt geworden und gehören ungefähr so fest zum Programm wie ein Besuch im Hofbräuhaus in München respektive Brauhaus in Köln.
Wir landeten im „Chez la Vieille“, einem gemütlichen und gleichzeitig rustikalen Estaminet, das wir im Nachhinein durchaus empfehlen können. Ein Blick auf die Speisekarte ließ uns zunächst stutzen: Ein Großteil der Gerichte wird hier mit Käse überbacken, und zwar mit Maroilles. Im ganzen Lokal roch es sehr intensiv nach Käse. Ein kurzer Blick auf die Nachbartische bestätigte uns, dass wir hier um ein ziemlich schweres Abendessen wohl nicht herumkommen würden – genauso wenig wie um Fleisch. Von Klassikern der französischen Küche wie Schnecken, Tartar und Co., auf die wir uns eigentlich gefreut hatten, dagegen keine Spur.
Besonders angesagt ist das sogenannte „Welsh“. Bei diesem typisch nordfranzösischen Gericht wird Bier mit Maroilles aufgekocht und anschließend über eine Scheibe getoastetes Brot mit Schinken gekippt. Das Ganze wird gebacken, bis es eine goldbraune Farbe annimmt. Am Ende wird meistens noch ein Ei draufgeschlagen. Welsh wird mit Pommes und Bier serviert. Wir verzichteten zugunsten anderer französischer Leckereien und aus Rücksicht auf unsere schlanke Linie.
Auffallend an Lille ist eine hohe Präsenz junger Menschen. Das liegt in erster Linie an der Universität, an der immerhin 110.000 Studenten eingeschrieben sind. Bei einer Bevölkerung von 230.000 Einwohnern macht sich das bemerkbar. Entsprechend hoch ist auch die Dichte an Kneipen und Clubs. Ausgehen kann man in Lille sowohl in der Altstadt, als auch rund um die Rue Gambetta.
Empfehlen können wir als ausgewiesene Bierexperten die Craft-Beer Bar „La Capsule“ in der Rue des trois Mollettes sowie das „Biche & Le Renard“ und das „Beerchope“ in der Rue de Gand. Die beiden Abende waren erwartungsgemäß lustig und das Liller Publikum komplett entspannt.
Ja, die Stadt ist wirklich sehenswert. Das historische Zentrum rund um den Place Charles de Gaulle ist relativ schnell erkundet. Zahlreiche Geschäfte, Cafés und Bierkneipen sorgen dafür, dass einem hier an einem Samstagnachmittag auf keinen Fall langweilig wird.
Der große französische Général de Gaulle wurde hier geboren. Das Geburtshaus, heute ein Museum, ist aktuell wegen Renovierungsarbeiten geschlossen.
Nicht so schön? Fast schon erschreckend hässlich fanden wir die in den 90er Jahren renovierte, postmoderne Fassade der Kathedrale, was allerdings auch an mangelndem architektonischen Sachverstand unsererseits liegen mag.
Natürlich ging es abschließend noch zum obligatorischen Großeinkauf in einen französischen Hypermarché, wo wir uns mit Boudin, Pasteten, Käse, Waffeln und weiteren Leckereien eindeckten.
Als jemand, der relativ lange im Trubel von Paris gelebt hat, könnte ich mir vorstellen, dass man es in Lille längere Zeit sehr gut aushalten kann. Die Stadt strahlt eine angenehme, unkomplizierte Stimmung aus. Die Leute sind entspannt und wirklich freundlich. Das Nachtleben um Längen ist besser als in anderen französischen Städten, die ich kenne. Kulinarisch landet Lille eher auf den hinteren Rängen. Die Hauptstadt der Region Hauts-de-France kann in dieser Hinsicht den Hochburgen wie Lyon, Toulouse oder Bordeaux relativ wenig entgegensetzen. Für zwei Nächte und um das Fernweh nach Frankreich zu lindern, ist die Stadt allemal perfekt.
Thomas Bily, Welfenstrasse 68, 81541 München
Telefon +49 151 580 550 91, E-Mail info@rockingtravel.com
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!