Reisezeit und Dauer
3 Wochen im Juli 2015
3 Wochen im Juli 2015
Einmal mit der Transsibirischen Eisenbahn fahren… Das wär´ was. Seit unserem Studium flackerte die Idee immer wieder auf. 30 Jahre später machten wir unseren Traum wahr. Wenn man so lange befreundet ist wie Arno und ich, kann man mal 3 Wochen zusammen Zugfahren. Und die Transsib Moskau Peking ist nicht die schlechteste Route dafür.
Normalerweise meide ich organisierte Reisen. Aber in dem Fall waren wir sehr froh, unsere Transsib Reise in die Hände von TSA Travelservice Asia gelegt zu haben. Die führten viele kleine Puzzle zu einer stimmigen Reise zusammen: Beantragung der Visa, Buchung der verschiedenen Etappen samt Reservierungen und Tickets, Organisation von Gastfamilien und Führern vor Ort und selbst die Flüge. Wir konnten uns komplett auf die Reise konzentrieren. Es klappte alles wie am Schnürchen. Pünktlich, verlässlich, gut – und meines Erachtens zu einem fairen Preis. Unseren ausführlichen Bericht mit Wissenswertem zu dieser Zugreise findet hier über diesen Link.
Unterkunft in Moskau
Wir kamen mit dem Flieger aus München an. Die Einreise war etwas schleppend und unser Fahrer (von TSA organisiert) war etwas säuerlich wegen der langen Wartezeit. Er heizte dann mit 100 Richtung Stadtmitte. Wir wohnten ziemlich zentrumsnah und so konnten wir die russische Hauptstadt zu Fuß erobern. Die Besichtigung von Kreml, Roter Platz, Basilius Kathedrale, Gorki Park, Moskva-Ufer, U-Bahn Stationen und alle weiteren kleinen und großen Sehenswürdigkeiten summierte sich am Ende zu rund 25 Kilometer auf unserem Marschometer. Wir waren privat untergebracht, was uns von Anfang an näher an Land und Leute brachte. Die 2 Tage Moskau waren ein guter Einstieg. Wir spürten noch ein bisschen Europa, aber sahen uns schon in der Umarmung von Mütterchen Russland. Übrigens: Der Wodka Konsum hielt sich in engen Grenzen.
Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen, in Nischni Nowgorod auszusteigen? Ja, die Stadt hat einen Kreml, ein Arsenal mit schicken ausrangierten Sowjet Panzern, einen schönen Blick auf die Wolga und angeblich auch eine Altstadt. Aber primär sieht man ihr an, dass sie bis 1991 Jahren abgeschlossen war für Besucher. Egal, einen Tag Ex-Sozialismus in purer Verabreichung kann man schon aushalten. Haken wir es ab als Kontrastprogramm oder Grenzerfahrung.
2 Tage Zugfahrt später waren wir am Ural und landeten bei Ludmilla im Plattenbau bei Lachs mit Dill, Sülze mit Dill oder Rührei mit Dill. Denk ich an Jekaterinenburg, denk ich an Dill. Und an eine ziemlich adrette Stadt, die spürbar im Aufbruch ist. Das schwermütig graue, sozialistische Stadtbild wird hier des öfteren aufgelockert durch bunte Geschäfte, belebte Cafés und Restaurants und eine Reihe von schön hergerichteten Parks, Museen und Kirchen. Natürlich haben wir auch einen Ausflug gemacht an die Gedenkstätte der letzten Zarenfamilie und an die eurasische Grenze (mit bemerkenswert hässlicher Landmark). Jekaterinenburg? Ja, da kann man stoppen, um ein weiteres Stück Russland zu entdecken oder wegen der WM 2018. Den Paulanerkeller mit Weißbier und Bratwurst gibt es schon.
Sibirien ist im Sommer gar nicht so kalt wie es klingt. Und ein bisschen Regen kann man im Bierkeller, eingewiesen durch einen Sibirer in Lederhosen, gut überbrücken oder man nimmt sich mal Zeit für den Friseur und eine original Bolschewikenschnitt. Irkutsk haben wir angesteuert wegen des Baikalsees, um dann festzustellen, dass der ein bisschen entfernt liegt. Glück im Irrtum: Die Stadt ist einen Stopp wert. Aufgespannt an den beiden Achsen Lenin und Karl Marx Straße hat man die Altstadt schnell im Griff. Man findet auch ein paar der sibirischen Holzhäuser mit bunten Fensterläden. Manche sind schön renoviert und böten sich an als Starbucks-Filiale. Einen Besuch wert ist der Markt, wo man Salami und Fellmützen bekommt, und dann gut gerüstet weiterreisen kann.
Mit dem Boot von Irkutsk dauert es 90 Minuten bis zum wasserreichsten See der Welt. Bloshye Koty könnte mal das Rottach-Egern vom Baikalsee werden – was die Lage betrifft. Noch ist der Ort – sagen wir – rustikal verträumt. Wir waren zwei Tage einquartiert in einem Chalet mit 1A Vollverpflegung, unternahmen Wanderungen, eine Bootsfahrt oder lasen – wenn sonst gar nix mehr ging – die Geschichte der Transsib am Baikalsee. Eines hatte ich noch auf dem Zettel: 5 kurze Schwimmzüge im saukalten See. Ich war der Einzige. Grandios. Auf unserer Weiterfahrt umkurvten wir einen Teil des Baikalsees mit dem Zug. Was für ein Spektakel, diese Landschaft.
Einen ausführlichen Erlebnisbericht zur Russland-Etappe unserer Reise findet ihr über diesen Link.
Wir sind im Dschingis-Khan-Land angekommen. Das ist unübersehbar in Ulan Bator, einem kochenden Moloch. Einen halben Tag widmen wir für Dschingis Plätze mit Dschingis Statuen vor Dschingis Museen. Wir besuchten die ultrakapitalistische Blue Skye Lounge und sahen von oben, mit einem Glas Vodka in der Hand, viel Bewegung und Arbeiten in der Stadt. Ein Ruhepol in der Hektik ist das Gandan Kloster, das seit Ende des Sozialismus wieder in Betrieb ist. Wirkt ein bisschen wie ein religiöses Disneyland.
Abends erwacht der Lifestyle in Ulan Bator. Den post-sozialistischen Neureichtum kann man in ausgewählten Bars bestaunen, wo – ganz Oligarchen-mässig – Geld keine Rolle zu spielen scheint. Im UB Jazz Aufreisser-Club in der Seoul Straße lässt sich die mongolische Eroberungsstrategie des 21. Jahrhunderts gut beobachten. Männer lassen solange Drinks an fremde Tische karren, bis die Frau „ja“ sagt. Dschingis Khan würd sich im Grab umdrehen. Ulan Bator war als Zwischenstopp unserer Reise fast unvermeidbar. 1 Tag reicht dick.
Der Terelj ist eine Art Vorzeige-Naturpark, schnell erreichbar und mit allem, was man von der Mongolei je gehört hat: Steppen, Kamele, Gebirge, Stutenmilch und natürlich Jurten. Während Touristen wie wir in einer sehr rudimentären Jurte mit Feuerstelle und ohne Strom untergebracht werden (das nennt man „Erdung“), empfängt der Mongole schon Kabel TV neben der Stutenmilch. Wir kletterten in die Berge, wanderten unter anderem zu einem Golfplatz, den sich Koreaner in die Steppe legten – quasi als Wochenend-Refugium der großzügigeren Dimension. Wir übten Bogenschießen und genossen Natur und Touristen aus aller Welt – Hessen, Schweizer, Ossis und natürlich Chinesen. Der Terelj Park ist als kleines Natur-Abenteuer inszeniert. Gefühlsecht, aber mit viel Fassade.
Einen ausführlichen Erlebnisbericht zur Mongolei-Etappe unserer Reise findet ihr über diesen Link.
An der Grenze wurde die Behufung umgehängt, weil die Chinesen eine andere Spurbreite haben – auch beim Bahnverkehr. Ein einigermaßen seltenes Schauspiel für Mitteleuropäer. Dann ging es zügig nach Peking weiter. Vor 30 Jahren waren Arno und ich zuletzt in der chinesischen Hauptstadt. Damals gab es unzählige Fahrräder und nur wenige Autos. Jetzt ist es umgekehrt. Millionen deutscher Autos und ein paar lebensmüde Radler. Was sich nicht unwesentlich auf die Qualität der Luft auswirkt. Der Smog ist wirklich so schlimm, wie immer berichtet wird.
Tian an Men, die verbotene Stadt, Himmelstempel – alle Sehenswürdigkeiten, die damals noch locker und leicht zugänglich waren, sind heute übervölkert oder gar rationiert. Nach dem 10.000sten Besucher (pro Tag) wird beispielsweise die verbotene Stadt geschlossen. Tipp: Besichtigungen früh am Morgen planen. Gleiches gilt für die Mauer. Wir steuerten das etwas weiter entfernte Stück bei Mu Tian Yu an, weil das noch nicht so überlaufen sein soll. Sicherheitshalber fuhren wir trotzdem um 7.00 Uhr los, um Touristenmassen auf jeden Fall zu vermeiden. Dabei half ein eigener Chauffeur. Klingt etwas protzig, war uns aber die Investition wert: 200 km hin und zurück + Wartezeit = 7 Stunden für 110 Euro/2 55 Euro/Nase. Unabhängig, schnell, klimatisiert und entspannt. Abends schickte uns der Concierge in ein Straßenrestaurant mit Tischgrill, kaltem Bier gegen die glühende Kohle und Verdauungsschnaps, um die schwitzenden Chinesen mit nacktem Oberkörper zu ertragen. Großartige Kulisse für einen gebührenden Abschiedsabend.
Einen ausführlichen Erlebnisbericht zur China-Etappe unserer Reise findet ihr über diesen Link.
In rund 120 Stunden Zugfahrt legten wir 9.000 km zurück. Es gab ein paar herausragende touristische Höhepunkte wie den Roten Platz oder die Chinesische Mauer. Meine Erinnerung aber gehört vor allem der Reise selbst – der Weg war das Ziel, von Anfang an. Wir hatten uns Luft und Freiheit genommen, die Reise jederzeit selber auszugestalten. Die Transsibirische Eisenbahn ist kein ICE. Das gilt auch für das Tempo der Reise. Cruising nennt man das neudeutsch. Meines Erachtens die ideale Reisegeschwindigkeit, weil man Dinge wahrnehmen und Eindrücke verarbeiten kann.
Die Tickets sind immer nur für den bestimmten Zug gültig und die Kontrollen sind pingelig. Pass und Ticket bilden in diesen Tagen ein unzertrennbares Duo. Die Züge sind sehr pünktlich. Man kann lange Aufenthalte problemlos nutzen, um den Bahnhof oder Vorplatz zu erkunden und sich die Füße zu vertreten. Rauchen ist eigentlich verboten, aber meist geduldet in den Zwischenabteilen. Steckdosen gibt es in den Zugfluren, sind aber rar und begehrt. Der Mobilfunk-Empfang ist auf weiten Teilen der Strecke gar nicht schlecht. WLAN gibt es im Zug nicht, also Landestarif prüfen oder Karte vor Ort kaufen.
Mindestens eine halbe Stunde vor Einfahrt in Bahnhöfe werden WCs abgesperrt. Das gilt natürlich auch für den Aufenthalt im Bahnhof. An der Grenze werden sogar WCs und Zug dichtgemacht. Gerade bei der lang dauernden Einreise von Russland in die Mongolei kann das eine Herausforderung an die Blase sein. Die Waschgelegenheiten und Toiletten waren gewöhnungsbedürftig. Bringt Klopapier mit. So lernt man sich wieder auf das heimische Bad freuen.
Man bekommt bei Bezug des Abteils frisches Bettzeug und Handtücher bereitgestellt (im Ticket-Preis inbegriffen). Beim Aussteigen wird die Wäsche eingesammelt. Also vorher abziehen! Die Betten waren für meine 1.84 ok, für Arno mit seinen über 1,90 waren sie etwas kurz. Er schlief trotzdem wie ein Bär. Alternativen zum Schlafen: Lesen, aus dem Fenster schauen, die Abteil-Nachbarn kennenlernen, im Bordrestaurant ein bisschen feiern mit Wodka. Die Mär vom stundenlangen Schachspielen können wir nicht bestätigen. Die Zeit vergeht auch ohne Schach sehr schnell.
Viele verpflegen sich vorher auf Märkten. Manche kaufen Brot, Süßspeisen, Hähnchen, Fisch oder Eier von den Mütterchen am Bahnsteig oder in den Bahnhofshallen (bei längeren Stopps ist genügend Zeit). Dazu gibt es die Bord-Restaurants mit etwas höheren Preisen und sehr durchschnittlicher Qualität. Zum Aufgießen von Tee, Suppen etc. gibt es heißes Wasser vom Samowar, einem Kessel mit heißem Wasser. Eine Schlemmerreise ist es nicht. Verhungern wird keiner.
Thomas Bily, Welfenstrasse 68, 81541 München
Telefon +49 151 580 550 91, E-Mail info@rockingtravel.com
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